Ich traue es mich ja kaum auszuschreiben, aber wir brauchen keine Windeln mehr. Seit über neun Jahren führt mich der Besuch im Drogeriemarkt jedes Mal immer automatisch an der Abteilung mit den Windeln vorbei. Und es ist immer noch ein wenig unrealistisch für mich, denn jetzt auf einmal benötigen wir die Windeln nicht mehr. Ich kann Euch flüstern, das ist wirklich ein komisches Gefühl, der Einkaufswagen steuert doch nach all den Jahren schon automatisch diese Abteilung an.
Tatsächlich habe ich verrückterweise sogar schon darüber nachgedacht, ob und wenn ja wie schnell ich mein routiniertes Handwerk vom “Windeln wickeln” wieder verlernen könnte. Das möchte ich nämlich nicht. Aber das ist doch bestimmt hoffentlich wie Radfahren, oder? Einmal drauf gesessen und los geradelt, das können wir das im Schlaf.
Wie kam es denn überhaupt dazu windelfrei zu werden?
Wie konnte das jetzt nur so schnell passieren, also noch vor den Sommerferien, dass auch der vierte im Bunde keine Windeln mehr benötigt……ich möchte Euch erst einmal gerne erzählen, wie wir es die letzten Jahre mit dem Trocken Werden bei unseren Kindern so gehalten haben. Ich möchte, dass es Euch ein wenig den Stress, die Angst und die Sorge “Mein Kind ist schon 4 und geht immer noch nicht auf die Toilette.” nimmt. Denn Achtung, dieses Thema ist insbesondere bei Euren Kleinen höchst sensibel.
Erst einmal vorweg. Unsere Kinder waren ganz geschlechtsspezifisch ganz unterschiedlich trocken. Die Mädels sehr “strebsam”, beide mit 2 Jahren und die Jungs haben sich einfach mehr Zeit gelassen, beide mit 3,5 Jahren. Alles immer zur richtigen Zeit.
Und jetzt kommt es: alle vier Kinder sind von ganz alleine, völlig frei, ganz ohne Druck und ohne dass wir auch nur ein einziges Mal gesagt hätten, dass es jetzt einmal Zeit wird auf die Toilette zu gehen, trocken geworden. Verblüffend mögen jetzt einige denken. Das finde ich nicht. Das funktioniert und jedes Kind sollte die Möglichkeit haben ganz nach seinem persönlichen Bedürfnis trocken zu werden.
Ermöglicht Euren Kindern bitte diese Chance. Das Letzte was wir wollen ist doch unseren Kindern Angst vor etwas zu machen, oder? Sie sollten doch vielmehr stolz darauf sein alleine zur Toilette gehen zu können und nicht Angst davor sich wieder einzunässen, weil der Gang auf die Toilette einfach noch nicht klappt. Diese Angst wird sich festsetzen und ganz viel kaputt machen können. Lasst die kleinen Zauberwesen selbst entscheiden, wann sie bereit sind.
Angst beginnt im Kopf – Mut aber auch.
Das das Thema “Trocken Werden” ist ein ganz sensibles und intimes Thema für die kleinen Wesen. Und genau deswegen gab es hier bei uns zu Hause weder “Fachliteratur” für die Kleinen, die wir abends gemütlich im Bettchen vor dem Schlafen gehen hätten vorlesen können noch das typische Töpfchentraining. Wir besitzen bis heute nicht ein einziges Töpfchen und dadurch, dass wir es auch gar nicht kennen, vermissen wir es auch nicht. Unsere Kinder wollten es auch nicht, selbst wenn sie es bei Freunden schon gesehen und ausprobiert haben.
Jedes unserer Kinder hat selbstbestimmt für sich alleine entschieden, wann die Zeit für einen Neuanfang gekommen ist. Zeit die Windeln in die Ecke zu werfen und zur Toilette zu gehen. Das klingt jetzt vielleicht als wären es “Wunderkinder”, die sich einfach so auf die Toilette gesetzt haben und schon “fluppte” es. Ganz so ist es selbstverständlich nicht. Ganz und gar nicht.
Darum erzähle ich Euch heute einmal die Geschichte von Johann und seinem Weg vom Trocken Werden.
Vielleicht erst einmal vorweg. Johann war keines der Kinder, das sich bei einer vollen Windel schlecht oder unangenehm gefühlt hat. Da unterscheiden sich die Kinder ja noch einmal enorm voneinander. Manche Kinder haben sich gerade die Windel eingenässt und schon fühlen sie sich nicht mehr wohl, melden sich und möchten schnell eine neue Windel bekommen. Auf Johann mussten wir immer aktiv zugehen, ihn ansprechen, ob es nicht einmal Zeit für eine frische Windel wäre, auch sogar nach dem großen Geschäft. Von alleine ist er nur ganz selten gekommen und hat nach einer frischen Windel verlangt. Darum war mein Gedanke immer, mal sehen wie viel Zeit er wohl benötigt, um trocken zu werden. Er hatte seine Windel regelrecht lieb gewonnen und sich dran gewöhnt.
Doch in den letzten Wochen gab es nicht nur im Kindergarten sondern auch bei uns im Freundeskreis einen großen Umschwung. Die Kinder in seiner direkten Nähe, seine kleinen Freunde im Kindergarten und auch seine Freunde von zu Hause, trennten sich nach und nach von ihren Windeln. Bei den einen klappte es schneller bei den anderen weniger schnell. Bei manchen waren es eher die Eltern im Hintergrund, die ein wenig nachgeholfen haben, bei anderen widerum haben die Kinder selbst die Initiative ergriffen.
Für Johann geht es nach den Sommerferien schließlich auch schon in die “große” Kindergarten-Grupppe. Johann wird ein Marienkäfer und viele seiner lieb gewonnenen Kindergarten-Freunde verlassen die U3-Gruppe, um bei den “Großen” aufgenommen zu werden.
“Bei den Großen tragen die Kinder keine Windeln mehr.” haben Theresa und Charlotte häufig ganz nebenbei gegenüber Johann verlauten lassen.
Mir schien es eigentlich als hätte Johann diese Sätze komplett ignoriert. Schließlich ist er kein einziges Mal auf diese Provokation eingegangen. Nachdem Johann diesen Satz ein, zweimal von seinen großen Schwestern gehört hat, habe ich die Beiden darum gebeten, ihn bitte nicht unter Druck zu setzen. “Das kommt von ganz alleine.” Und so war es auch.
Auch wenn es Euer persönlicher Wunsch oder Euer Bedürfnis ist, dass das Kind ab einem gewissen Alter windelfrei wird, “schließlich sind doch mittlerweile bereits fast alle seiner Freunde windelfrei“, setzt Eure Kinder bitte nicht unter Druck. Und damit meine ich auch nicht passiv unter Druck. Viele versprechen Geschenke, wenn es denn endlich klappt und die Windel zur Seite gelegt werden kann. Warum tut man das? Für mich grenzt das mal “frech” gesagt schon an Erpressung.
Ich möchte als Kind auch bitte nicht ständig gefragt, ob ich nicht doch mal auf die Toilette oder auf das Töpfchen möchte. Und das wahrscheinlich noch in Anwesenheit der Familie oder Freunde. Ihr?
Lassen wir den Kindern doch einfach die Zeit selber zu bestimmen wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist.
Natürlich bietet sich der Sommer ganz hervorragend für ein solches Vorhaben an und ich muss zugeben, die letzten heißen Tage vor ein paar Wochen haben wirklich dazu geführt, dass Johann von sich aus, ganz alleine auf einmal keine Windel mehr tragen wollte. Er wollte es einfach nicht. Auf einmal war die Windel für ihn ein Fremdkörper geworden. Sogar nachts und das stellte mich zunächst vor eine Herausforderung. Für mich persönlich kam das so plötzlich – ich habe tatsächlich noch gar nicht damit gerechnet – dass ich erst einmal in der Stadt ein paar neue Unterhosen für ihn besorgen musste.
Aber als die letzten Wochen es so schön heiß war und die Kinder sich am Nachmittag alle ihre Kleidung vom Körper geworfen haben, durch die Planschbecken gehopst sind und sich einfach nur wohl gefühlt haben, da kam wohl auch Johann auf den Geschmack. Er spürte seinen Körper und merkte, wie das überhaupt funktioniert mit dem Pipi machen. Johann hat ein Gefühl für seinen Körper bekommen und für das Bedürfnis Pipi machen zu müssen bekommen. Und er fand es sofort großartig wie leicht das funktioniert. Nur klar, Pipi machen im Garten, da wo ich gerade stehe und einfach laufen lassen kann, ist noch einmal etwas was ganz Anderes als wirklich die Beherrschung zu haben, auch im Haus und unterwegs bewusst merken zu können, das man Pipi muss und auf die Toilette zu gehen. Dafür braucht es etwas länger, aber der erste Schritt war getan. Der erste Schritt ist denke ich der Wichtigste. Das muss ganz alleine “Klick” machen bei den Kleinen.
So haben wir direkt die Windel weggelassen und auch nachts ziemlich schnell keine mehr benutzen müssen. Johann hat sich regelrecht geweigert eine Windel über Nacht zu tragen. Dem Wunsch sind wir auch so gefolgt und ganz ehrlich, er hat bislang ein einziges Mal das Bett eingenässt und das war auch ganz am Anfang. Selbst wenn es jetzt noch einmal passiert. Das ist doch gar nicht schlimm. Dann ist das so.
Und genau dieses Gefühl müssen wir den Kindern vermitteln. Es ist völlig okay, wenn noch einmal etwas daneben geht, die Unterhose schmutzig ist oder Du es nicht mehr rechtzeitig zur Toilette geschafft hast. Alles ist gut und völlig in Ordnung und normal.
Auf Kinder wirkt das Vorbild, nicht die Kritik.
Also lasst uns für unsere Kinder ein Vorbild sein, stolz auf sie sein, sie loben und aufbauen. Dann werden sie zu glücklichen und selbstbewussten Menschen.
Eure Alexandra
Find ich super, wie ihr das gemacht habt.
Wir haben ein Topfchen und beim Wickeln fragen wir, ob sie es benutzen möchte. Manchmal ja, manchmal nein. Manchmal will sie von alleine drauf und etwas geht rein, manchmal nicht.
Auch wir haben die heißen Tage genutzt und am Nachmittag die Windel weg gelassen. Sie war ganz fasziniert vom “pullern” und hat begeistert zugeschaut. Wir haben schon länger hübsche Slips da. Mal wurden sie nass, mal nicht.
Derzeit ist die Windel wieder täglicher Begleiter. Aber das ist genauso okay, und sie ist ja auch erst 28 Monate.
Die Große war mit 33 Monaten von einem Tag auf den anderen komplett trocken, Tag und Nacht, kein einziger Unfall mehr.
Sohnemann war mit etwa 36 Monaten erst tags trocken, später auch nachts mit mehreren “Ups” in der Nacht im ersten halben Jahr. Er hat allerdings das große Geschäft seit vor dem ersten Geburtstag nur noch in den Topf gemacht. Immer morgens beim ersten Wickeln nach dem Aufstehen.
Sie sind halt sehr individuell 😉
LG von TAC
Schön, dass alle so verschieden sind und genau richtig, dass auch Du Deinen Kindern die Zeit und den Raum lässt, sich selbst zu entscheiden, wann die Windel nicht mehr gebraucht wird. Ich freue mich auf jeden Fall immer, wenn ich ins kleine stolze Gesicht schaue, das mich mit großen Augen ansieht, wenn das große Geschäft jetzt in die Toilette geplumpst ist ;-). Herrlich.
Habt eine schöne Zeit und liebe Grüße,
Alexandra
Wunderbar! Gibt so viele sanfte Methoden und manchmal funktionieren die auch nicht, muss man sich nicht schlecht fühlen. Wir haben es so gemacht und das Kind garnicht erst an Windeln gewöhnt, waren sowieso meist Stoffwindeln. Es wurde das Kind eben trocken gehalten soweit möglich und geschaut wenn es mal ‘abgehalten’ werden muss. Schwierig war wenn mal jemand anders nach dem Kind geschaut hat, und verständlicherweise die Signale nicht mitbekam. Und später bei der Mutter Kind Gruppe in der Waldorfschule hat es gesehen das andere Kinder ganz praktisch Windeln haben, da braucht man keine Spielpause.
Das habe ich eine Zeit mitgemacht und dann aber erklärt, dass mir das zu viel Aufwand ist. Am Ende habe ich viel gelernt, bei einem zweiten Kind würde ich alle Windeln gleich weglassen. Aber wir können zufrieden sein, wunder Po blieb uns erspart, das große Geschäft ging nie in die Windel (nur Brust Milch poop in den ersten Monaten und einmal eine Durchfalletkrankung), also sonst nur peepee. Wenn mich Leute fragen wann mein Kind sauber wurde, weiß ich nie was ich sagen soll. Nacht Windeln brauchten wir nie, weil gleich nach dem Aufwachen ‘abgehalten’ wurde und der Topf wurde benutzt sobald es drauf sitzen konnte. Es ist wohl eher ein Prozess bei uns gewesen als ein von heute auf morgen. Schönen Dank für den Artikel
Ich schwanke ganz extrem zwischen den Polen: „Es wird schon von ganz alleine klappen“ und dem Druck, dass ich ihn trocken bekommen möchte und mich davor fürchte, dass er mit 4 Jahren noch mit Windel herumläuft.. Dabei wird er doch erst in zwei Monaten drei, es handelt sich schon ewig nur noch um Pipiwindeln und ich ärgere mich über mich selber, dass ich die Sache nicht ganz gelassen angehen kann. Dabei weiß ich doch, dass sich so vieles, worüber man sich bei Kindern sorgt, dann irgendwie von alleine löst. Ich denke, dass Problem bei uns ist, dass unser Sohn sprachlich ein absoluter Überflieger ist, der mit gerade zwei schon ellenlange, korrekte Sätze heraushauen konnte. Daher überschätzen wir manchmal seine Fähigkeiten und erwarten Dinge von ihm, für die er eigentlich dann doch zu klein ist. Ich kenne Kinder in seinem Alter, die so gerade 4-Wort-Sätze sprechen, ständig den Schnuller haben und noch wie halbe Babys wahrgenommen werden. Texte wie deiner beruhigenden mich jedenfalls wieder…